Gelehrtenfamilie-Königsberg
Parallel zu ihrem künstlerischen Wirken als Schülerin der Kunstakademie in Königsberg und Malerin auf der Kurischen Nehrung und Nidden wandte sich Helene Neumann ab 1903 sozialen Aufgaben zu. Sie gründete 1904 den „Gewerkverein der Heimarbeiterinnen" in Rauschen, der zunächst nur für den gesamten Bereich Ostpreußens zuständig wurde. Alsbald übernahm der Verein eine vorbildliche Rolle für viele bestehende „Gewerkvereine der Heimarbeiterinnen"über Ostpreußen hinaus. Dies war nur möglich, weil Helene Neumann von ihrer Familie, besonders ihrem Vater, dem Pathologen an der Albertus- Universität Königsberg, finanziell unterstützt wurde: Über eine „Helene Neumann-Stiftung" wurde ein Heimarbeiterinnen - Erholungsheim errichtet (Architekt Max Schönwald), dem später nach ihr benannten "Helene Neumann Haus" in Sassau. Hier konnten sich mehrere Heimarbeiterinnen nur in Begleitung ihrer Kinder, jedoch mit Hilfe einer Hausleiterin von der oft zwölfstündigen Tätigkeit zu Hause erholen. Ihre größte Leistung aber war, dass es ihr gelang, für ganz Deutschland die erste tarifliche Bezahlung der Heimarbeiterinnen auszuhandeln:
"Hier in Königsberg wurde 1906 zwischen dem Gewerkverein der Heimarbeiterinnen und der Schirmindustrie der erste Tarif durchgesetzt, der in der deutschen Heimarbeit überhaupt je abgeschlossen worden ist. (Olga Friedemann 1934) Hierzu heißt es in einer Mitgliederversammlung des Königsberger Gewerkvereins im Jahr1906: : „Helene Neumann und die zugereiste Margarete Behm aus Berlin "legten ausführlich dar, wie die Tarifabschlüsse zustande gekommen seien und welche Vorteile sie den Heimarbeiterinnen bieten und wiesen all die Angriffe durch die Macht der Tatsache zurück. Ein Redakteur der Königsberger Volkszeitung und der Vorsitzende des Schirmarbeitgeberverbandes, ( - die Gegner waren als Gäste zu unserer Mitgliederversammlung zugelassen - ) versuchten vergeblich, das Gegenteil zu beweisen." ( In: Die Heimarbeiterin Jg.6 Nr.7 (1906),S.2)
Damit nahm der Verein 1906 eine gewerkschaftliche Funktion wahr. Mit Olga Friedemann gründete Helene Neumann 1914 den "Königsberger Hausfrauenbund", in dem auch der Königsberger Heimarbeiterinnen eingeliedert wurden. Sie wurde als 2. Vorsitzende Schriftführerin und Kassenprüferin. Nach Kriegsbeginn organisierte sie im Hausfrauenbund die „Mittelstandsküche Hufen" als Kriegseinrichtung zur Beköstigung der Bedürftigen. Nach dem Krieg wurde der Königsberger Hausfrauenbund erweitert auf alle ostpreußischen lokalen Hausfrauenbünde, z.B. den Gründungen um Pauline Bohn und Elisabet Böhm, mit denen sie eng verbunden war, über den "Vereinigung Ostdeutscher Hausfrauenbünde" (siehe detailliert in Lit. Neumann-Redlin von Meding u.a. 2016 in Preußenland) . Hierzu schrieb Olga Friedemann in einer Helene Neumann gewidmeten Ausgabe der Ostdeutschen Hausfrauenzeitung zu ihrem 60.Geburtstag: Helene Neumann beherrschte die Rechnungsführung in den weitverzweigten Betrieben der Städtischen- und der Provinzialorganisationen und löste Probleme der vereidigten Bücherrevisoren. Als begabte und gewandte Rednerin lenkte sie die Aufmerksamkeit auf dem internationalen Kongress für Hauswirtschaftlichen Unterricht in Rom (1927) auf die in Ostpreußen gegründete und geführte hauswirtschaftliche Berufsausbildung (Olga Friedemann 1934). Nach der ersten Aushandlung von Tarifen für die Heimarbeiterinnen (s.o.) ist es ihr weiteres großes Verdienst, mit Olga Friedemann über den „Königsberger Hausfrauenbund" den Beruf der Hauswirtschaftsleiterin mit der Berufsbezeichnung „
Meisterin der Hauswirtschaft" 1926 eingeführt zu haben - es sei nochmals betont: für ganz Deutschland. Es war ihr eine besondere Freude, monatliche Treffen mit den examinierten „Meisterinnen" abzuhalten, um diese über die neueste Entwicklung zu informieren und sie auf ihre Rechte hinzuweisen. Zu alledem gab sie mit Olga Friedemann die „Ostdeutsche Hausfrauenzeitung" zunächst über den Königsberger Hausfrauenbund (KHB) heraus. Sowohl für den Königsberger Hausfrauenbund 1914 als auch für die "Vereinigung ostdeutscher Hausfrauenbünde" sowie für den "Reichsverband deutscher Hausfrauenvereine" RDH (1917 - 1935) (der Hedwig Heyls "Deutschen Hausfrauenbund" von 1915 übernommen hatte) war die Ostdeutsche Hausfrauenzeitung das alleinige Nachrichtenblatt. Diese Zeitung trug über alll die Jahre das Logo, gefertigt von Helene Neumann, zunächst mit den Initialen KHB, dann mit RDH. Interessant ist, dass sich der heutige "Deutsche Hausfrauen-Bund - Netzwerk Haushalt- Berufsverband" noch heute (2020) auf das Logo Helene Neumanns bezieht mit den Initialen DHB, ohne zu wissen, dass ihr Verband aus dem nicht-(!)nationalsozialistischen Reichsverband deutscher Hausfrauenvereine hervorgegangen ist. Weiterhin war Helene Neumann Leiterin der Königsberger Wohnungskommission und organisierte Ausstellungen und Veranstaltungen. Nach dem Tode von Olga Friedemann im Jahre 1935 leitete Helene Neumann die Geschäfte des Königsberger Hausfrauenbundes und Teilbereiche des Reichsverbandes deutscher Hausfrauenvereine in Vertretung von Olga Friedemann weiter. Neue 1. Vorsitzende wurde Dora Schlochow, bis diese zum 01.01.1936 sämtliche im Reichsverband Deutscher Hausfrauenvereine eingetragenen Hausfrauenvereine Deutschlands auflöste und den Mitgliedern anheimstellte, dem neuen nationalsozialistischen „Deutschen Frauenwerk" beizutreten. Mit dem Erlöschen aller Hausfrauenverbände in ganz Deutschland legte Helene Neumann alle ehrenamtlichen Aufgaben nieder und wirkte auch nicht mehr im „Frauenwerk" in leitender Funktion mit. Sie schreibt: Mag ein frischer Wind die Fußspuren (der ostdeutschen Hausfrauenvereine) verwehen. Mögen neue Zeiten neue Formen bilden, wenn nur in aller Zukunft der Geist erhalten bleibt (Helene Neumann 1935, S. 5). Dieses von Kunst und gewerkschaftlicher Tätigkeit geprägte Leben Helene Neumanns konnte niemand besser schildern als Olga Friedemann: " Weit aber hinaus über Leistung und Begabung leuchtet die schlichte, immer nur fremde Verdienste anerkennende Anspruchslosigkeit ihres Wesens, die Lauterkeit ihres Willens und die Selbstlosigkeit ihres Handelns" (Friedemann 1934, S. 2). Eine staatliche oder städtische Anerkennung wurde ihr nie zuteil. Literatur: Neumann-Redlin von Meding, E.: Von den Anfängen ostpreußischer Hausfrauenverbände. In: Preußenland Nr.7 (2016), S. 121-146 - hierzu sehr viel Literaturhinweise einschließlich Helene Lange Archiv in Berlin Neumann-Redlin von Meding, E.: Von den Anfängen ostpreußischer Hausfrauenbünde bis zur Bezeichnung „Meisterin der Hauswirtschaft. Königsberger Bürgerbrief 86 (2015), S. 35-41 Neumann-Redlin von Meding, E.: Elisabet Boehm (1859-1943) und Helene Neumann (1874-1942): Wegbereiterinnen für den Beruf der „Hauswirtschaftslehre. Königsberger Bürgerbrief Nr. 86 (2015), S. 32-34 Neumann-Redlin von Meding, E.: Von den Anfängen ostpreußischer Hausfrauenbünde bis zur Bezeichnung „Meisterin der Hauswirtschaft. Königsberger Bürgerbrief Teil II, 87 (2016), S. 24-31 Neumann-Redlin von Meding, E.: Olga Friedemann (1857-1935) Wegbereiterin der hauswirtschaftlichen Berufsausbildung zur Meisterin der Hauswirtschaft. Königsberger Bürgerbrief, 87 (2016), S. 32-33
Neumann-Redlin von Meding, E.; Neumann, F.: Ostpreußische Landschaft in Bildern, 1.Aufl.Stiftung Ostpreußen Hamburg 1979; 2.Aufl. Rautenberg Verlag 1987 Neumann, H.: "Helene-Neumann-Stiftung" in Sassau. Ostdeutsche Hausfrauenzeitung 1. Jg.. Nr. 12 (1926), S. 2 -3 mit Abb. und Grundrißzeichnungen des Erholungsheims Friedemann, O.: Helene Neumann 60 Jahre - Ein Rückblick und Dank. Ostdeutsche Hausfrauenzeitung 9. Jg. Nr. 4 (1934) S.1 Neumann-Redlin von Meding, E.:Helene Neumann. Schülerin der Damenklasse der Kunstakademie Königsberg (gegr. 1845). Königsberger Bürgerbrief 44 (1995) S.31-33
Neumann, H.: 15 Jahre Vereinigung Ostdeutscher Hausfrauenbünde. Ostdeutsche Hausfrauenzeitung Jg. 10
Fotographie, ca 1926 Helene Neumann unten: Original-Lithographie als Postkarte v. Helene
weiter zu Helene Neumann als Künstlerin
zurück zu Ernst Neumann Vater
zurück zu Helene Neumann 1.Seite: ihr Leben
Helene
Neumann 3. Frauenrechtlerin
geboren: 14.03.1874 Königsberg gestorben: 02.06.1942 Rauschen
|